ECTS – Vom Label zum Übel

Beitrag vom von Studium Innsbruck

ECTS – Vom Label zum Übel

Welcher Studierende kennt das nicht?

 

Man besucht eine Lehrveranstaltung, die sagen wir 2 ECTS Punkte vorgibt. Wenn man sich gut informiert hat, weiß man, dass 2 ECTS Punkte 50 Stunden Arbeitsaufwand (1 ECTS = 25 Arbeitsstunden) entsprechen, wobei 30 Arbeitsstunden davon  nur für die Anwesenheit im Kurs draufgehen (ca. 15 Kurseinheiten à 2 Stunden pro Semester).

 

Als Student denkt man sich: „Cool, ich muss dann nur noch 20 Stunden für den Kurs lernen - das schaff‘ ich mit links.“ Man fängt also an, diese Lehrveranstaltung zu besuchen, denkt sich nichts dabei und konzentriert sich evtl. auf andere, schwierigere Kurse. Plötzlich meint der/die LehrveranstaltungsleiterIn, man müsse alle 2 Wochen Hausübungen abgeben, ein Referat in der Gruppe halten und noch eine kleine Abschlussarbeit von 10-12 Seiten schreiben, natürlich zusätzlich zur Prüfung am Ende des Kurses.

 

Die Hochrechnung:

- Anwesenheit im Kurs (15 Mal pro Semester) => 30 Stunden

- Hausübungen alle 2 Wochen: pro Hausübung ca. 1 Stunde Aufwand => ca. 7 Stunden

- Referat in der Gruppe: Vorbereitung, 2-3 Mal Treffen, PPT erstellen => ca. 6 Stunden

- Auf die Prüfung lernen: sagen wir 3-4 Tage intensives Lernen => ca. 15 Stunden

- Abschlussarbeit schreiben: ca. 1 Woche, 4-5 Stunden am Tag => ca. 25 Stunden


Wenn man nun alles addiert (30 + 7 + 6 + 15 + 25) kommt man auf 83 Arbeitsstunden, sprich ca. 3,5 ECTS Punkte - die zugegeben etwas untertrieben geschätzt wurden.

 

Ist das legal, dass man den Studierenden so viel aufbürdet? Machen sich die DozentInnen und die Curriculumskommision überhaupt Gedanken darüber? Wenn das sich mit fast jedem Kurs so verhält verändert sich da nicht der gesamte Lernaufwand für das Studium und in Konsequenz die Studienzeit?

 

 

Das umgekehrte Beispiel:

Für einen Kurs mit 10 ECTS Punkten, also mit 250 Arbeitsstunden (10 ECTS x 25 Arbeitsstunden) muss man gerade mal 100 Stunden aufbringen, weil der Kursleiter einfach nicht viel verlangt. Klar, das freut jeden Studierenden. Aber ergibt das einen Sinn?

 

Es kommt aber noch dicker:

Natürlich hat man als Student noch andere Kurse, viele müssen nebenher arbeiten, Fristen für die Stipendienstelle und Familienbeihilfe einhalten, und man fühlt sich wegen dem ganzen Aufwand für nur 2 ECTS Punkte etwas überfordert und will der Sache auf den Grund gehen. Doch wenn man die einzelnen LehrveranstaltungsleiterInnen darauf anspricht, scheint dieses Problem nicht in ihren Zuständigkeitsbereich zu fallen, man „muss ja den Lernstoff durchbringen“ oder „das ist ein systemisches Problem“ oder „das wird nächstes Semester anders geregelt“. Besonders letztere Aussage hilft jenen Studierenden außerordentlich, die noch dieses Semester einen Schein brauchen. Klar, die Curricula hat jemand anderes erstellt und zuständig ist ja immer nur der Studienbeauftragte, nicht etwa der Lehrende. Stattdessen bekommt man von LV-LeiterInnen auch diese Antwort: „Was? 1,5 ECTS für diese Lehrveranstaltung? Das habe ich noch nie gehört.“

 

Ich studiere mittlerweile schon seit 2007 in Innsbruck und werde kommendes Jahr mit 3 verschiedenen Abschlüssen abschließen. Doch habe ich es in meiner gesamten studentischen Laufbahn, nur genau 2 Mal erlebt, dass sich die KursleiterInnen die Mühe gemacht haben, eine detaillierte Workloadaufstellung der ECTS-Punkte für Referate, Hausübungen, PPT, etc. zu erstellen, um eine gewisse Kurstransparenz zu garantieren.

 

Wieso machen das nicht alle DozentInnen? Vielleicht weil die Kurse oft aufwändiger sind, als sie den Anschein haben? Oder weil sie einfach zu viel zu tun haben? Vielleicht ist es ihnen aber auch schlichtweg egal, da ihr primäres Anliegen nicht die Lehre sondern die Forschung ist und somit die Studierenden selbst sehen müssen, wo sie bleiben. Zudem haben die Studierenden von heute „ja keine Ahnung, wieviel sie (die Lehrenden) damals lernen mussten“.

 

Fakt ist, das sich die Uni Innsbruck seit kurzem damit brüstet mit dem ECTS-Label ausgezeichnet worden zu sein. Soll die Uni Innsbruck dafür auch noch ausgezeichnet werden, dass die ECTS Punkte überhaupt nicht mit dem Kursaufwand übereinstimmen? Man spricht von „Transparenz“, wo es überhaupt keine gibt.

 

Wenn zu viel von euch verlangt wird bzw. die ECTS-Punkte im LFU-Online nicht dem Curriculum entsprechen (was öfters passiert als man denkt) und ihr etwas dagegen tun wollt, wendet euch an die Studienrichtungsvertreter eures Instituts oder ggf. an die ÖH. Ihr spart evtl. einiges an Lernstress aber vor allem an Zeit, die für bessere Zwecke eingesetzt werden kann, wie z.B. dem Studienabschluss in der vorgebebenen Regelstudienzeit.

 

Verfasst von Peter Mucovic

 

Über den Autor: Studium Innsbruck

Das Team von Studium Innsbruck hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Studierenden, angehenden Studiernden und jungen Menschen mit Informationen und wissenswertem zur Seite zu stehen. Zu diesem Zweck sind wir ständig darum bemüht unser Angebot und den Informationspool zu erweitern und zu verbessern.

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